Thema Rückschulung: Persönliche Erfahrungsberichte

von Marina Neumann

Im Sommer 1999 bekam ich „zufällig“ das Buch von J.B. Sattler: „Der umgeschulte Linkshänder oder der Knoten im Gehirn“ in die Hand. Dass ich Linkshänderin bin, war mir immer klar. Ebenso klar war, dass das spätestens seit der Einschulung nicht mehr in Ordnung war.
Ich wurde unter extremem Druck auf die rechte Schreibhand umgeschult. Die Schule war mir damit vom ersten bis zum letzten Tag verleidet worden.

Ich litt sehr unter meiner Umschulung, allerdings stumm. Es schien weit und breit kein anderes Kind zu geben, dem es ähnlich ging. In diesem Buch mit seinen zahlreichen Fallbeispielen fand ich mich wieder, zum ersten Mal in meinem Leben fand ich meine eigene Problematik wieder! Ich verstand, wieso ich als Kind häufig unter Schlafstörungen, Kopfschmerzen und schneller Ermüdbarkeit gelitten hatte, Folgen der Umschulung. Ich begann zu ahnen, weshalb mir meine Kreativität und Phantasie abhanden gekommen waren,
obwohl ich gleichzeitig immer wusste, dass ich diese Fähigkeiten in hohem Ausmaß besitze. Angeregt durch das Buch von Sattler beschloss ich meine Rückschulung auf die linke Hand. Ich benutzte einen sowieso geplanten 3-wöchigen Urlaub für diesen Prozess und machte meine täglichen Schwung- und Nachspurübungen nach der Methode von Sattler.

Diese Übungen wurden begleitet von ganz neuen Gefühlen, Erlebnissen und Ahnungen davon wie es sich anfühlt, in meiner Energie und ich selbst zu sein. Mir wurde auch sehr schnell klar, dass es bei der Rückschulung um weit mehr ging als „nur“ wieder die linke Hand zum Schreiben zu benutzen.

Es ging darum, meine Identität als Linkshänderin wiederzufinden und mein Leben als Pseudorechtshänderin als falsch zu erkennen. Ich begann auf die Suche nach meinen eigenen Fähigkeiten und Potentialen zu gehen. Mit der Rückschulung auf links bekam ich erstmalig
den Schlüssel für mein Wachstum in die Hand, den Schlüssel dafür, wieder eins mit mir selbst zu werden. Ich begann bewusst meine Linkshändigkeit wiederzubeleben. Jetzt mache ich fast alles mit links und bin dadurch schon spürbar ausgeglichener geworden. Ich stehe jetzt mit beiden Beinen auf der Erde und nicht nur verkrampft auf dem rechten. Ich bin jetzt langsamer zugleich aber auch natürlich selbstbewusster. Meine Rückschulung begann mit einem körperlichen Zusammenbruch, ich wurde vorübergehend krank. Das Falsche musste erst zerstört werden, ehe sich das Neue zeigen durfte. Dann begann eine lange Phase einer enormen körperlichen und seelischen Regeneration, es begann ein umfassender Selbstheilungsprozess. Mit der Rückschulung bekam ich erstmalig Zugang zu meinem inneren Kind und kann die Gefühle des inneren Kindes endlich integrieren.

Ich begann erstmals zu fühlen und zu sehen, dass ich nicht die intellektuelle Frau bin für die ich mich immer gehalten habe, zu der ich mich immer notgedrungen gezwungen habe. Im tiefsten Innern gab es zwar immer eine kleine zaghafte Stimme, die mir sagte: „Das bist Du nicht, du bist nicht die intellektuelle Psychologin. Du bist in hohem Maße intuitiv und auch kreativ“. Aber dieser Stimme konnte ich nicht wirklich nachgeben, da ich vor meiner Rückschulung nicht verstand, wieso ich so anders war und im Grunde von aller Wissenschaft
nichts wissen wollte. Jetzt weiß ich es: meine Potentiale liegen in der rechten Gehirnhälfte, im Bereich der Intuition, im Bereich des Visuellen.

Ein absolut wichtiges Ergebnis meiner Rückschulung ist die Tatsache, dass ich mich jetzt traue, meiner inneren Stimme Raum zu geben. Ich kann mir jetzt aus vollem Herzen erlauben zu fühlen, dass ich schon im Alter von 16 Jahren einen kreativen Berufswunsch hatte, das ich nie Psychologie studieren wollte. Das ist emotional sehr entlastend und hat zur Folge, dass ich dabei bin, mein Leben grundsätzlich zu verändern. Meine rechte Gehirnhälfte bekommt mehr und mehr Raum und meine linke Gehirnhälfte hat viel Zeit zum Ausruhen. Ich brauche keine überhöhten wissenschaftlichen Ansprüche an mich zu stellen, werde stattdessen im Alltag, in vielen kleinen Dingen kreativer.

Meine Umschulung auf die rechte Hand erfolgte vor Schuleintritt. Ich habe nur vage Erinnerungen daran. Bis zu meinem 33. Geburtstag verrichtete ich die wichtigsten Tätigkeiten mit der rechten Hand. Schon früh machte ich die Erfahrung, gerade in den Gebieten, die mir am meisten bedeuteten, regelmäßig zu versagen, und ich entwickelte daraus eine resignierte Haltung zum Leben: Was immer ich für mich wünschte, ich sei nicht dafür geschaffen.Als ich mich im Laufe meines 34. Lebensjahres auf die linke Hand zurückschulte, änderte sich das. Ich war sehr überrascht, als sich meine unerfüllten Träume plötzlich mit Macht über meine linke Seite in die Wirklichkeit drängten. Innerhalb eines Jahres erlangte ich Fähigkeiten, die jahrzehntelang brachgelegen hatten, ich lernte Zeichnen, präzises handwerkliches Arbeiten, Kochen, literarisches Schreiben und entwickelte unerwartete berufliche Kompetenzen.

Vor allem bekam ich einen völlig neuen Blick auf mich und mein Leben. Das schnelle Wachstum und das plötzliche Nachlassen des Kompensations-Stresses waren gesundheitlich und mental nicht leicht zu verkraften. Aber ich gewann eine neue Sicherheit im Umgang mit den Wechselfällen des Lebens.Wenn ich mein heutiges Leben mit dem vor der Rückschulung vergleiche, dann bin ich ob der Diskrepanz an Lebensqualität und -Intensität mit großer Dankbarkeit erfüllt, so sehr, dass die Erinnerung jederzeit sofort, zuverlässig und vollständig gegen jede Art von Weltschmerz hilft. Ich lebe wie an den Ufern eines Flusses, der mich reich beschenkt, und sein gleichmäßiges Rauschen bildet den Rhythmus meines Lebens.

Deborah Erin

… Barbara Sattlers Buch Der umgeschulte Linkshänder oder Der Knoten im Gehirn zum ersten Mal in die Hand nahm, tat ich das in der Absicht, etwas über meinen linkshändigen Vater und meinen mutmaßlich linkshändigen Sohn zu lernen. Ich las allerdings kaum über sie, umso mehr jedoch über mich selbst. Und obwohl ich zum ersten Mal eine einleuchtende Erklärung für mein leidvoll erlebtes mannigfaches Scheitern bekam, konnte ich zunächst nicht glauben, dass auch ich eine Linkshänderin sein sollte, denn an eine Umschulung auf die rechte Hand kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.

Andrerseits ließ mir das Gelesene keine Ruhe, und nachdem ich schließlich, Jahre nach meiner ersten Lektüre von Barbara Sattler – erfolgreich– denVersuch unternahm, meinen Namen in Spiegelschrift zu schreiben, wollte ich es dann doch genau wissen und auch sonst ausprobieren, was denn mit links für mich alles machbar sei. Allein die Umtrainierung weniger Tätigkeiten, wie etwa meine Zähne mit der linken Hand zu putzen, reichten aus, um mir die Erfahrung zu vermitteln, dass mir dies eine große Erleichterung und einen wunderbar klaren Kopf bescherte.

So war es dann auch im Alter von 48 Jahren, nachdem als Ergebnis des Händigkeitstests bei Frau Neumann meine Linkshändigkeit eindeutig feststand, keine schwierige Entscheidung, einer Rückschulung unter ihrer Betreuung auf meine linke Hand zuzustimmen. Inzwischen sind seit meinen ersten linkshändigen Schreibversuchen fast 3 Jahre vergangen und es ist mir in zunehmendem Maße gelungen, auch bei den meisten anderen Tätigkeiten meine linke zu meiner dominanten Hand zu machen. Einfach war dies nicht immer, aber lohnend nichtsdestoweniger.

Ich bin seitdem mutiger geworden und selbstbewusster und genieße sehr, dass mir so viel mehr Kräfte als zuvor zu Verfügung stehen.

D.B.

Im Jahre 1971 bin ich eingeschult worden, und mein damaliger Lehrer, sicherlich kein Meister seines Faches (er war Optiker), bestand darauf, mich umschulen zu müssen. Meine Eltern haben sich leider nicht genug dagegen gewehrt, so dass ich von da an mit
rechts schrieb. Es war damals schon in der Schulordnung festgelegt, dass LH mit links schreiben sollten. Alles andere habe ich mit links gemacht. Heute betrachtet: eine Schwachsinn. Was soll das?
Aber wir Deutschen machen ja sowieso alles nach, was uns jemand vormacht. Von der Umschulung weiß ich nichts mehr. In den späten 80iger Jahren hatte ich eine Adresse einer LH-Beratung in München, wo ich zu dem Zeitpunkt lebte, aber mich nicht darum kümmerte.
Anno 1996 besuchte ich diese Beratung, sprach mit Frau Dr. Johanna Sattler, die mir von einer Rückschulung abriet, mir aber ihr Buch empfahl (Der umgeschulte LH oder der Knoten im Gehirn). Im Dezember 1996 beschloss ich, eine Rückschulung Anfang Jan 1997 in der Nähe von KO, wo ich seinerzeit lebte, bei einem Ergotherapeuten durchzuführen. Mit Erfolg! Am 17.06. 1997 ( ehemals Tag der DT. Einheit) kam für mich der Tag X, von dem an ich nur noch links schrieb. Mit Erfolg. Am Anfang natürlich etwas holprig, aber dann immer besser. Seit diesem Zeitpunkt fühle ich mich immer besser und vor allen Dingen freier, was sehr langsam geht. Aber jetzt wird mir alles klar, was ich will, was ich kann, und wohin ich gehe.Ich setze mir inzwischen Ziele, die ich immer erreicht habe. Es ist ein Stück Befreiung. Kaum jemand hat das alles verstanden, viele meinten, ich solle meine Energie für andere Dinge verwenden.
Letztlich hat diese Rückschulung Synergien freigesetzt und mich in meiner Persönlichkeitsentwicklung sehr stark nach vorn gebracht.
Ich schaffe es immer besser, mich von alten starren Verhaltensmustern, die nicht zu mir passen, zu trennen, Ordnung ins Leben zu bringen und vieles anders zu machen als andere, indem ich neue Dinge ausprobiere. Ich habe neben meinem Abitur über den 2. BW (noch als umgeschulter LH), mein Latinum, meine Ausbildung zum Versicherungskaufmann und meine Jägerprüfung nach der Rückschulung locker geschafft. Meine Devise heißt: Laufen, hinfallen, aufstehen und weiter-laufen.

J.W.

Ich bin 54 Jahre jung und eine eindeutige Linkshänderin. Meine 88jährige Mutter bestätigt mir dieses: „Ja, Marianne, schon als Du 2 Jahre alt warst, sah ich, dass Du die Kreide für die Schiefertafel oder auch die Buntstifte in die linke Hand nahmst“. Weil sie mir als Rechtshänderin das Schreiben und Malen mit links nicht beibringen konnte, gab mir meine Mutter Schreibwerkzeuge immer wieder
in die „gute“, in die „richtige“ Hand. Dieses sollte mein Leben grundlegend verändern. Mit der Einschulung 1961 wurde der Druck auf mich dann spürbar. Da ich ein artiges Kind war, tat ich, was die Lehrerin von mir erwartete. Damals war es auch verboten,
in der Schule mit links zu schreiben. Die Schulordnung sah es so vor.Später in Mathematik fielen meine Schwierigkeiten auf. Ich verdrehte die Ziffern, schrieb statt 25 die Zahl 52. Innerlich war ich ziemlich verzweifelt, aber ich konnte mich an niemanden wenden, denn ich war ja meinem Empfinden nach FALSCH.
Eine Psychotherapeutin, die ich wegen meiner beruflichen Versagensängste, die mich sehr belasteten, und Selbstwertprobleme aufsuchte, meinte, ich sollte beginnen, mit links zu schreiben. So hörte ich damals auch von Frau Dr. Johanna Barbara Sattler in München, die ich daraufhin anrief, die mich aber bezüglich Rückschulung nicht ermunterte. Eine Psycho- und Körpertherapeutin empfahl mir 2003, in Zukunft mit links zu schreiben. Aber auch das überzeugte mich nicht, denn es fehlte mir dabei an Begleitung bzw. Anleitung.
Auf einem Seminar für Ausdrucksmalen im September 2008 kam ich erneut in engen Kontakt mit dem Thema umgeschulte Linkshänderin. Diesmal aber packte es mich, und ich wußte es: „Ja genau, mit diesem Thema m u s s t e ich mich weiter beschäftigen, dort ging meine Weg weiter“. Dieses Erlebnis war für mich der entscheidende Wink mit dem sogenannten Zaunpfahl.

Ich schaute unter dem Stichwort „Linkshändigkeit“ ins Internet und fand die Website von Marina Neumann. Dort erfuhr ich, dass die Rückschulung eine sehr große Chance sein kann, endlich die eigene Identität zu finden, der eigenen inneren Stärke ein
großes Stück näher zu kommen. Bei meinem am 20.10.08 gefassten Entschluss, mich rückzuschulen, fing mein Inneres
Kind an zu jubeln und rief mir, der Erwachsenen, zu: „Endlich nimmst Du mich wichtig, ich bin so froh darüber, ich bin so glücklich.“
In mir öffneten sich 2 Türen, eine für neue ungeahnte Möglichkeiten und eine andere für weniger Angst und Unsicherheit.
Ich hatte das völlig neue Gefühl: “ ICH BIN JA DOCH OK. Ich bin gar nicht falsch, wie schön, ich bin OK.Ich bin glücklich, mit der Rückschulung begonnen zu haben und auch darüber, dass ich in Marina Neumann eine kompetente und einfühlsame psychologische Begleitung gefunden habe. Ich fühle mich bei ihr sehr gut aufgehoben und bin froh, dass es diese Möglichkeit für mich gibt.

Marianne Dräger
21.November 2008

Der Beginn meiner Reise zurück

Von Dauererschöpfung, wahnsinnigen Kopfschmerzen und Alpträumen geplagt, war ich am 15.829. Tag meines Lebens am Nullpunkt der Kraft, Konzentration und Ausdauer angelangt. An dem Punkt, wo man zwei Stunden braucht, um einen Tee zu kochen, wo
man auf allen Vieren die Treppe hoch krabbelt, weil es auf zwei Beinen zu anstrengend ist.
Was war geschehen?
15.828 Tage hatte ich offensichtlich auf einer Irrfahrt verbracht. Treue Weggefährten dabei waren zunehmende Unsicherheit, Ängste, Selbstzweifel, Müdigkeit, Erschöpfung und Kraftlosigkeit, viele verschiedene Schmerzen, eine hohe Infektanfälligkeit, Überempfindlichkeiten, Wundheilungsstörungen, Kopfschmerzen, Schwindelanfälle….

Der Sinn meines Lebens schien nur noch darin zu bestehen, gegen Schlaf, Schmerz, Überlastung und seelische Verletzungen anzukämpfen. Nachdem ich am Nullpunkt angekommen war, begann die Suche. Keiner konnte mir sagen, warum ich so unsanft gelandet war. Ich wurde belächelt und fehlbehandelt. Nach 775 Tagen verzweifelter Suche gab ich zufällig das Wort „Linkshänder“ in die Internet-Suchmaschinen ein. Las von Umschulung, Umschulungsfolgen und Rückschulung.

Kurz darauf stand fest: Ich schule mich zurück!. Endlich gesund werden, endlich leben!
Mir fehlte jedoch die Kraft, um nach Erfahrungen anderer oder nach Unterstützung zu suchen. So ging ich bei der Rückschulung allein und viel zu hastig vor. Ich war auf dem Weg in die nächste Katastrophe. Zum Glück fand gerade ein Vortrag bei Frau Neumann statt. Irgendwie schaffte ich es dorthin. Frau Neumann brachte System in meine Rückschulung hinein. Von da an ging es Schritt für Schritt voran. Mit Geduld, Vertrauen und Beharrlichkeit – Eigenschaften, die mir auf meiner langen Irrfahrt verloren gegangen waren, und die ich nun allmählich wiederfand. 399 Tage bin ich jetzt, im Dezember 2008, auf der Heimreise. Das ist nicht lange, wenn man daran denkt, wie viele Tage ich in Richtung fremder Welten unterwegs war. Doch erscheint mir die bisher auf dem Heimweg zurückgelegte Strecke riesig. Mit den Fortschritten in dieser Zeit könnte ich ein ganzes Buch füllen.Ich bin zum Beispiel nicht mehr ganz so verletzlich. Verstehe meine Mitmenschen besser als zuvor. Auch fahre ich jetzt viel sicherer Auto. Diese kleinen täglichen Fortschritte genieße ich. Ich werde wohl nicht wie Phönix in kürzester Zeit aus der Asche aufsteigen. Es wird eher ein sanfter, stetiger Weg in meinem Tempo, ein allmähliches Heilen, Verstehen, Verarbeiten.
Ich weiß: Die graue, finstere Zeit der Irrfahrt und der verzweifelten Suche ist vorbei. Ein lebendiger, farbenfroher Abschnitt meines Lebens liegt vor mir. Tiefe Dankbarkeit erfüllt mich, wenn ich an die wertvolle Unterstützung auf diesem Weg denke, an die Vorträge und Treffen bei Frau Neumann, den Austausch mit anderen.
D.H.

Ich bin 51 Jahre alt und habe vor einem halben Jahr zum zweiten Mal schreiben gelernt mit der linken Hand. Darüber freue ich mich an jedem einzelnen Tag.
Mir war schon immer klar, dass ich Linkshänderin bin. Mein Körper signalisierte mir das einfach ständig, die linke Hand drängte immer vor, aber ich pfiff sie zurück. Was das Schreiben anbetrifft, da hatte die linke Hand es auch bereits eingesehen, kein Wunder nach 45-jährigem Schreiben mit rechts. Mir wäre es nie in den Sinn gekommen, diesen Eingriff in meine Persönlichkeit, den Lehrer und Eltern bei meiner Einschulung vorgenommen hatten, rückgängig zu machen. In aller Deutlichkeit: dieser Eingriff von außen in die Arbeit meines Gehirns, diese mir „von außen zugefügte Behinderung“ ( zitiert nach J.B. Sattler), geschah nach bestem Wissen und Gewissen meiner Erziehungsberechtigten. Wie falsch es war, also wie weit mich diese Umschulung eingeschränkt hat, das war mir lange nicht klar.
Vor einem halben Jahr habe ich das Buch von J.B. Sattler: “ Der umgeschulte Linkshänder.“ durchgelesen, besser gesagt: verschlungen – und war platt. Fast alle meine Macken, die ich allesamt für individuell hielt, zählt Frau Dr. Sattler auf – als Folge der Umschulung auf die
nicht – dominante Hand. Es hat mich z.B. immer bedrückt, dass ich schneller erschöpft war als die KollegInnen, dass ich bei jeder Fortbildung immer schon aufs Zimmer ging, während die anderen noch zum Abschluss des Tages auf ein Bier loszogen.
Meine Entscheidung für die Rückschulung fiel deshalb auch ganz schnell, nachdem ich ein oder zwei Nächte darüber geschlafen hatte.
Das Schreiben mit der linken Hand hat mir von Anfang an ungeheuer viel Spaß gemacht. Ich hatte gerade eine Woche frei und habe sechs Tage für mich alleine geübt, habe seitenlang geschrieben. Als die freie Woche zu Ende ging, habe ich mich endgültig entschieden
und bereits im Vorfeld den KollegInnen eine E-mail geschickt und ihnen von diesem Plan erzählt.
Ich hatte in der Zeit der Umstellung Kontakt mit der Linkshänderberatungsstelle und habe mich im Abstand von einigen Wochen mehrmals telefonisch von Frau Neumann beraten lassen. Vor allem die Tipps für kleine, aber relevante Alltagsfragen haben mir sehr geholfen, die Umstellung erleichtert und die schwierige Phase verkürzt. Ich konnte offene Fragen zum alltäglichen Umgang mit Links- und Rechtshändigkeit durchsprechen.
Vom ersten Tag an hatte ich das Gefühl, mehr bei mir selbst zu sein. Schon nach kurzer Zeit fühlte ich mich abends nicht mehr unangenehm erschöpft, sondern angenehm müde. Meine Konzentrations- und Leistungsfähigkeit verbesserte sich. Ich bin einfach produktiver geworden. Meine Schrift, heute zwar noch eine etwas krackelige Kinderschrift, ist jetzt schon
regelmäßiger und harmonischer als die frühere. Die Reaktionen der Menschen um mich herum sind eigentlich nur positiv. Interessant:
Vor allem meine vier Geschwister, alle Rechtshänder, haben immer gespürt,, dass es irgendeine Sache geben musste, die bei mir nicht rund läuft. Sie reagierten jetzt alle spontan komplett begeistert.
Zurzeit passieren mir wieder die gleichen Buchstaben- und Zahlenverdreher wie im ersten Schuljahr. Ich weiß beim Schreiben manchmal nicht mehr, wie rum geht nun das S, wie rum das Fragezeichen? (Wenn ich’s dann sehe, weiß ich’s aber.) Es passieren mir manchmal auch gehäuft Versprecher, vor allem in Stresssituationen. „Ich als umgeschulte Linkshänderin!“, erkläre ich den Leuten dann kurz. Meist wird geschmunzelt und fertig, und ich weiß: Diese Probleme habe ich vor 45 Jahren schon mal gemeistert.
Aber diesmal fühlt’s sich richtig gut an!!

Monika Ahlrichs ( 02.05.10 )

Ich schule mich seit über einem Jahr zurück – auf meine linke Hand. Die Entdeckung, umgeschulte Linkshänderin zu sein, dauerte über 4 Jahrzehnte, manchmal vage Vermutungen – ohne Nachhall, vor 2 Jahren erste nähere Erkundungen. Dann: Mal wieder saß ich in einem Entspannungskurs, um meinen – seit der Kindheit vorhandenen – inneren Erschöpfungsgefühlen, oft verbunden mit innerer Anspannung und Unruhe, etwas Gutes zu tun. Die Kursleiterin sah mich meine Tasse mit links nehmen und sagte, ach, ich sei wohl Linkshänderin. Nun ging ich dem Ganzen wirklich auf den Grund, kaufte mir als Selbsttest eine PC-Linkshändermaus, bestellte D A S Buch “ Der umgeschulte Linkshänder oder der Knoten im Gehirn“ und machte bei Marina Neumann einen Händigkeitstest. Das Ergebnis war eindeutig, und die Frage nach einem „Ob“ der Rückschulung stellte sich für mich nicht, es erschien mir das einzig Natürliche und Selbstverständliche zu sein. Obwohl ich immer eine ausgesprochene Sprachen-, Lese- und Schreibaffinität hatte, war der Schreibvorgang mit der rechten Hand ein innerer Graus und Krampf für mich. Das Gefühl, nie den Buchstaben oder die Zahl so zu treffen, wie ich es innerlich vor mir sah, war schlimm. „Schönschrift“ gelang mir allenfalls zufällig, später war meine Schrift regelrecht „in Verruf“.
Sie löste sich immer mehr auf, zuletzt konnte ich sie selbst kaum noch entziffern. Ich und andere – wir konnten es uns nicht erklären. Selbst wenn mal der Gedanke auftauchte, ich könnte linkshändig sein (auch in meiner Familie gab es Linkshänder), fehlte die Bewusst-
heit und das Wissen, was es überhaupt mit der Händigkeit oder mit einer schon sehr frühen Umschulung im jüngsten Kindesalter durch die Krippe oder Kindergarten auf sich hat.

Wenn ich jetzt schreibe oder sonst etwas im Haushalt, in der Freizeit oder im Sport usw. mit links mache, fühlt es sich richtig und zu mir gehörend an. Das Gefühl, ich könnte stets nur A) und allenfalls noch B) machen, C) kaum noch und D) schon gar nicht mehr, schwindet immer mehr: Die Kraft, die ich als Pseudo-Rechtshänderin im Gehirn und Körper für das Umgeschultsein benötigte, setzt sich immer mehr frei. Die früher häufige Frustration, dass mir Dinge leicht fallen, aber ich erschöpft(er als andere) bin, vergeht. Emotionale oder gedankliche Knoten (innere Endlos-Schleifen) lösen sich auf oder bilden sich erst gar nicht mehr.

Die Rückschulung im Erwachsenenalter ist kein „leichter“ Weg, doch genau sie verschafft mir eine neue und irgendwie alt-bekannte Leichtigkeit. Und die vor allem am Anfang nötige Disziplin, Übung und Konzentration, die Einbindung in den beruflichen und privaten Alltag – dafür lohnt es sich: Ich schnuppere innerlich wieder den Flieder im Garten meiner Großeltern, durch den ich als Kind spazierte – Glücksgefühle, einfach da sein. Eine Tür ist aufgegangen – endlich und unwiderruflich. Ich komme an bei mir und bin gespannt, was die
Rückschulungsreise noch alles an Entdeckungen und Potentialen bereithält.

R. K. im Nov. 2010

Viele Jahre habe ich unter psychogenem Schwindel, Erschöpfung, fehlender Intuition, Gefühlslosigkeit und fehlendem Selbstbewusstsein gelitten. Erst mit 33 Jahren wurde mir klar, dass ich umgeschulter Linkshänder bin. Über die Erinnerung, dass ich in der Grundschule spiegelverkehrt geschrieben habe, wurde ich darauf aufmerksam. Allein das Wissen um die Ursache erleichterte meine Beschwerden von da an wesentlich.

Seither habe ich mit der Rückschulung auf links begonnen. Der Prozess ist langsam aber sehr kraftvoll, so wie eine kleine Pflanze langsam aber unaufhaltsam durch den Asphalt bricht. Die mühsam erlernte Motorik der rechten Hand und das Selbstbild als
Rechtshänder gegen das intuitive Gefühl, das sich in der linken Hand offenbart, und gegen die tiefe Verbundenheit mit sich selbst einzutauschen, war für mich das Schwerste am Prozess. Denn das „Rechtshänder sein“ hat die Struktur des bisherigen Lebens so
fundamental gebildet, dass der Abschied davon zunächst Verunsicherung auslöst. Mit zunehmender Freiheit und zunehmenden Möglichkeiten kam und kommt es bei mir auch zur Trauer um die verpasste Lebenszeit als Linkshänder.

Von dem Alten musste ich mich verabschieden und das neue Positive annehmen. Daher ist für mich die Begleitung durch eine Therapeutin oder einen Therapeuten, die selber rückgeschult haben, essentiell. Nur sie oder er kennen das Auf und Ab der Gefühle und das positive Gefühl der Veränderung, das bei einer solchen Rückschulung durchlebt wird. Marina Neumann begleitet mich auf dem Weg der Rückschulung. An aller erster Stelle bin ich ihr zutiefst dankbar für ihre positive Haltung gegenüber der Rückschulung, die
sie aus ihren eigenen Erfahrungen schöpft und mit der sie mir Sicherheit, Orientierung und Zuversicht gegeben hat, auf dem richtigen Weg zu sein.

Ulrich, 37 J.

Eigene Erfahrungen

Auf dem Foto sehen Sie mich kurz vor der Einschulung, bevor ich auf die rechte Schreibhand umerzogen wurde. Bis dahin habe ich hingebungsvoll mit links gemalt. Ich lernte auch, rechtshändig Blockflöte und Geige zu spielen. Die negativen Auswirkungen der Unterdrückung der angeborenen Linkshändigkeit kenne ich aus eigener Erfahrung. Weiter lesen…